Brauerei im Berg
Das ist dort, wo der Berg nicht wirklich ein Berg ist und hervorragendes Bier quasi aus einer Bieridee entstand, sprichwörtlich gemeint.
Tatsächlich liegt die Brauerei im Berg an einem Berg. Wobei Berg ein grosses Wort ist für eine Anhöhe, deren Kamm knappe dreissig Meter höher als das Dorf und insgesamt lediglich 576 Meter über Meer liegt. Genau genommen ist die Bezeichnung «Berg» im zürcherischen Weisslingen nur ein Flurname. Der aber hat, in diesem Fall, Hand und Hintergrund, gibt Orientierung und sagt etwas aus. Etwa über die Herkunft des Bieres.
Jedenfalls sind die «Wisliger» stolz auf «ihren Berg» und sie schätzen das Bier, das knapp über ihren Köpfen gärt und reift. Und das kam, in kurzen Worten zusammengefasst, so: Der Eintrag ins Handelsregister und damit die offizielle Gründung der Brauerei erfolgte am 10. Juni 2016. Alleinig fussend auf dem Vorsatz, bessere Biere zu brauen und, sollte der Plan aufgehen, das Ergebnis mit gleichgesinnten Menschen zu teilen. Mehr Stoff, um bei einer passenden Metapher zu bleiben, war da nicht, als sich Werner Denzler und seine Söhne David und Samuel auf den Weg zum Notar machten. Abgesehen vom festen Willen, die Idee umzusetzen. Und zwar «g’haue oder g’stoche», wie David festhält.
Ein Schlingel, der nachträglich behauptet, dieses Vorgehen sei dilettantisch gewesen. Man kann genauso gut der Meinung sein, es sei der perfekte Moment für das Vorhaben gewesen. Sei es, um den durchgeschüttelten Schweizer Biermarkt zusätzlich aufzumischen, oder, etwas tiefsinniger, «das eigene Wesen zur Entfaltung zu bringen», um es in den Worten von Oscar Wilde auszudrücken. Beides gute Motive. Und ja, manchmal braucht man tatsächlich nicht mehr. Nur Fortuna, die Göttin des Glücks, an seiner Seite.
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Brauereien in der Schweiz hochgeschnellt wie ein unter Wasser gedrückter Ball. Von 32 registrierten Betrieben im Jahr 1990 stieg die Anzahl der Brauereien unaufhaltsam. 2016 figurierten die Denzlers als der 851ste Braubetrieb. Derzeit kratzen aktuelle Anmeldungen an der Zwölfhunderter-Marke. Zahlen die ziemlich eindrücklich sind und zudem viel aussagen, wenn man sie richtig deutet. Und etwas daraus macht. In anderen Worten: Alle Menschen sind schlau – die einen vorher, die andern nachher. Denzler und seine Söhne, dieser Beitrag enthüllt es, vorher.
«Die Brauerei lebt mit, durch und von Fans»
Werner, heute pensioniert, war früher Bühnenbildner, Licht- und Tontechniker. Samuel ist gelernter Stromer und David Maschinenbautechniker. Drei Männer mit handwerklichem Geschick also und technischem Verständnis. Ein Kunterbunt an Wissen und Erfahrungen, das sich im Braualltag als nützlich erweist – sprich das Resultat günstig beeinflusst. Nicht zur Familie, aber zum Clan gehört Dominik Sommer – ein versierter Polygraf. Dominik ist ein ehemaliger Schulkamerad und wirkt bei der Brauerei seit Anbeginn mit. Sein Verantwortungsbereich: Gestaltung, Marketing und Kommunikation. Und er ist Aktionär.
Zwar halten die Denzlers zusammen 69 Prozent der Anteile, doch der Rest ist auf 140 Mitbesitzer, 139 weitere Dominiks, verteilt. Klar, diese Stimmen zählen, zumindest bei wichtigen Unternehmensentscheidungen, nicht, doch sie signalisieren eine Schwäche für die Sache und bestätigen Verbundenheit mit dem Betrieb. Anders, in den Worten von Samuel, ausgedrückt: «Die Brauerei lebt mit, durch und von Fans». Das ist gut. Und ein starkes Statement. Weniger gut ist: Es gab Zeiten, da waren die Kapazitäten etwas knapp. Entsprechend wurde investiert. In eine neue Abfüllanlage und zusätzliche Gär-Tanks. Füllten David und Samuel anfangs noch knapp 1’200 Flaschen pro Monat ab, sind es derzeit zwischen 75 und 90 Tausend pro Jahr, Tendenz steigend. Solcherlei braucht, logisch, eine passende Infrastruktur. «Was jedoch nicht nur eine Frage der finanziellen Mittel, sondern auch der Philosophie ist», wie David sagt. Es ist wie anderswo auch: Die ewige Abwägung, ob man wachsen will, um Geld zu verdienen, oder klein bleiben und wendig sein, um zügig auf Veränderungen und Chancen reagieren zu können.
Samuel ist stolz auf die Qualität, die er und sein Bruder anbieten. Und freut sich darüber, wie tief die Brauerei im Dorf bereits verwurzelt ist. Getränkehandel und Restaurants im weiten Umkreis seien wichtige Abnehmer. «Andererseits bietet der Rampenverkauf die Möglichkeit, mit dem Endverbraucher auf Tuchfühlung zu kommen, ab und zu einen Schwatz zu halten und derweil deren Sichtweisen zu erfahren», sagt er. Die autodidaktischen Braumeister, was als Kompliment zu verstehen ist, produzieren fünf Standardbiere und erweitern das Angebot saisonal mit Spezialsuden nach Lust und Laune. Oder aufgrund von Marktbegehren. Mit Abstand das meistverkaufte Bier ist das «Ales of the Ordinary». Ein klassisches Pale Ale – simpel im Charakter, mit fünf Volumenprozent nicht zu stark, dafür schön süffig. «Und garantiert jederzeit verfügbar», so das Denzler’sche Versprechen. Geht es nach den Inhabern, ihren 140 Mitbesitzern, den Wisliger-Kunden und all den tausenden anderen Bier-Fans, kann es so weitergehen, wie es in den vergangenen Jahren lief. Die Chance, dass diese Hoffnung erfüllt wird, ist intakt: Ideen gibt es zuhauf. Möglichkeiten sind ebenfalls nicht dünn gesät. Über eine davon, sie hat nur indirekt mit Bier zu tun, berichten wir das nächste Mal. Dabei erfahren Sie, wie die Brauerei im Berg zu ihrem Mischwesen kam. Und warum. Ferner lassen wir Sie wissen, wie die Firma Bourquin, ein Verpackungs-Profi, den Faden aufnahm und was daraus entstand. Impressionen dazu sehen Sie bereits auf dieser Seite.