Leiterin Marketing und Verkauf bei Gottlieber Spezialitäten AG
Stilvolle Präsentation für «Gottlieber Hüppen»
DAS INTERVIEW MIT ANDREA RIVAS
Wer kennt sie nicht, die knusprigen Waffelröllchen mit der zartschmelzenden Praline-Füllung? Gottlieber Hüppen. Alles hat ganz klein angefangen. Die Gründerin der Gottlieber Spezialitäten AG, Elisabeth Wegeli, wurde von ihrer Nachbarin in die Kunst des Hüppenbackens eingeführt. Heute, viele Jahre später, sind die Gottlieber Hüppen bis weit über die Landesgrenzen hinaus als einzigartiger Genuss bekannt. Im thurgauischen Dörfchen Gottlieben (gegründet 1251) sind Hüppen schon seit langer Zeit bekannt und beliebt. So genoss bereits Königin Hortense Bonaparte sogenannte «Gaufrettes» aus Gottlieben, als sie von 1817 bis 1837 auf dem nahen Schloss Arenenberg lebte. Somit wurde auch ihr berühmter Sohn, der spätere Kaiser von Frankreich Napoleon III., ein begeisterter Anhänger der zarten Gottlieber Spezialität.
EnVogue: In der Firmengeschichte von Gottlieber ist im Zusammenhang mit der Gründerin, Elisabeth Wegeli, von «Frauenpower» zu lesen. Wieviel «Power» braucht es für eine Frau in Ihrer Verantwortung heute? Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in Zeiten der Covid-19 Pandemie aus ?
Andrea Rivas: Richtig, unsere Firma wurde zu einer Zeit gegründet, als Frauen noch eine Unterschrift von ihrem Ehegatten benötigten, wenn sie einer Arbeit nachgehen oder eine Firma gründen wollten. Die Frauenpower von damals haben wir bis heute erhalten: Frauen stellen die Mehrheit der Gottlieber Belegschaft und dies über fast alle Abteilungen gesehen. Sogar in der Geschäftsleitung waren wir bis vor zwei Jahren in der Überzahl; suchen Sie einmal einen Grosskonzern, bei dem das der Fall ist! Wir sind hier also Vorreiterin, worauf ich stolz bin.
Natürlich braucht es auch heute noch viel Power, um am Markt und gegen die Konkurrenz bestehen zu können, vor allem da wir gegen Mitbewerber antreten, die über ein Vielfaches an Werbebudget verfügen. Mich spornt das an – und uns macht es noch schneller, innovativer und flexibler. In Zeiten von Covid-19 sind diese Eigenschaften umso wertvoller. Zu Beginn des Lockdowns haben wir innert weniger Tage unsere Marketingaktivitäten zugunsten des Onlinenbereichs neu ausgerichtet und die Produktelinie #Wirbleibenzuhause ins Leben gerufen. Ob Pandemie oder nicht: Ich gebe grundsätzlich mein Bestes, in allen Lebensbereichen. Halbe Sachen liegen mir nicht.
EnVogue: Die aktuelle Krise betrifft ja die Menschen nicht nur privat. Welche Sorgen beschäftigen Gottlieber Hüppen in diesen Tagen am meisten, und wie versuchen Sie die aktuelle Krise zu meistern ?
AR: Aktuell macht uns ein möglicher zweiter (Teil-)Lockdown vor Weihnachten am meisten Sorgen, das würde uns mitten in unserer Hauptumsatzzeit hart treffen. Anfang Herbst machte uns der Einbruch im B2B-Bereich Sorgen. Das Firmenkundengeschäft, insbesondere in der Vorweihnachtszeit, ist absolut zentral für den Fortbestand und die finanzielle Gesundheit der Firma. Wir haben viele Ressourcen dafür aufgewendet und tolle Grossaufträge an Land ziehen können. Die Sorge, dass Schweizer Firmen ihre Budgets für Kundengeschenke pandemiebedingt streichen oder sich diese nicht mehr leisten können, hat sich glücklicherweise mehrheitlich als unbegründet erwiesen.
EnVogue: Verschiedene Unternehmen – auch im Bereich Süsswaren – fürchten um ihre Zukunft. Wie sieht die Situation bei Ihnen in der Schweiz aus ?
AR: Aus der Branche erreichen uns unterschiedliche Signale. Grundsätzlich verfügen wir in der Schweiz mit der Kurzarbeit über einen enorm hilfreichen und wirkungsvollen Hebel, den wir zum Glück nur während kurzer Zeit nutzen mussten.
Während des Lockdowns im Frühling hat uns die Schliessung unserer sechs Gottlieber Cafés sowie der markante Umsatzrückgang im Detailhandel und bei den Firmenkunden stark belastet. Unsere Produkte werden hauptsächlich verschenkt und weniger für den Eigengebrauch erworben. Wenn nun keine privaten oder geschäftlichen Anlässe stattfinden dürfen, fehlen diese Einnahmen entsprechend. Obwohl unser Online-Shop auf Hochtouren lief, standen wir Ende Mai bei fast 45% Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr. Das war natürlich hart, und wir stellten uns auf einen harzigen weiteren Geschäftsverlauf ein. Mittlerweile konnten wir das Defizit gänzlich aufholen. Wir bereiten uns auf die verschiedensten Szenarien vor, blicken aber vorsichtig positiv in die Zukunft.
EnVogue: Gottlieber-Hüppen werden ja bei Ihnen milionenfach hergestellt. Alle Ihre Produkte extrem schön verpackt. Es heisst ja nicht umsonst: Es schmeckt auch alles so gut wie es aussieht. Wie wichtig sind die Verpackungen für Sie ?
AR: Für uns spielt die Verpackung eine genauso wichtige Rolle wie der Inhalt. Bei den Gottlieber Hüppen gehen wir keine Kompromisse ein und setzen nur die erlesensten Rohstoffe ein, die unseren hohen Ansprüchen an Qualität und Schweizer Handwerk genügen. Dasselbe gilt für die Verpackung und alle Drucksachen, die wir fast ausschliesslich in der Schweiz beschaffen. Die Verpackung soll den Inhalt widerspiegeln. In der Vergangenheit hat es sich schon mehrmals gezeigt, dass die Verkäufe unserer Produkte durch eine Veränderung bei der Verpackung erheblich gesteigert werden konnten. Das Auge kauft mit! Aber natürlich wird das Produkt nur erneut gekauft, wenn auch der Inhalt überzeugt…
EnVogue: Wir durften mit Ihnen dieses Jahr einen ebenso schönen wie edlen Wellkartondisplay für Gottlieber Produkte realisieren. Wie sehen Sie generell den Auftritt am «POS» für Ihr Unternehmen ?
AR: Vor dem Regal entscheidet sich der Kunde innert Millisekunden für ein Produkt und nicht für ein anderes. Viele unserer Verpackungen kommen sehr edel daher. Das hat am POS teils zur Folge, dass sie weniger auffallen, wenn Sie neben Verpackungen in «schreienden» Farben stehen. Umso wichtiger ist die Rolle von Displays. Dank ihnen können wir am POS eine kleine Gottlieber Welt erschaffen, die viel Aufmerksamkeit erhält. Der wunderschöne Display ist in erster Linie für das Weihnachtsgeschäft in den Coop-Filialen konzipiert. Im EDEKA in der Region Bodensee und in anderen Retailern verleiht er ganzjährig unseren Produkten den Auftritt, die sie verdienen.
EnVogue: Das Verpackungsdesign als Marketinginstrument beeinflusst viele Bereiche eines Unternehmens. Wie ist es bei Gottlieber Hüppen ?
AR: Das Verpackungsdesign ist meine Leidenschaft und mein Steckenpferd. Es ist bei uns im Marketing und auf Geschäftsleiterebene angesiedelt. Auch unser Geschäftsführer mischt gerne ab und zu mit. Ich fürchte, wir sind für Grafikagenturen ein äusserst anstrengender Kunde, da wir immer schon ganz genau wissen, wie ein Produkt auszusehen hat. Unsere Photoshop-Kenntnisse haben wir uns selbst beigebracht und wir setzen sie mit viel Freude ein – ganz zum Leidwesen unserer Grafikerin, die dann unser laienhaftes «Gebastel» in eine druckfähige Form bringen darf (lacht).
EnVogue: Damit das Unternehmen die Markenstrategie im Verpackungsauftritt umsetzt, ist oft ein Markenmanagement notwendig. Auch bei Ihnen ?
AR: Natürlich ist uns eine ganz- und einheitliche Markensprache wichtig. Das sieht man unserem Auftritt an – von der Verpackung, über das Design des Online-Shop bis zu den Online- und Offline-Werbemitteln. Zum Zeitpunkt, an dem in grösseren Firmen noch an Konzepten gefeilt wird, haben wir aber bereits entschieden und sind an der Umsetzung. Manchmal entsteht dann eine neue Gottlieber Erfolgsgeschichte, ein anderes Mal funktioniert es nicht. Dann nehmen wir das Produkt halt wieder vom Markt. Ganz ehrlich, hätten wir Zeit und Geld in Marktforschungsstudien investiert, bevor wir ein neues Produkt lancieren, würde es heute wohl viele der erfolgreichsten Gottlieber Produkte nicht geben. Manchmal braucht es neben Mut auch eine Portion Unwissenheit, um Neuheiten auf den Markt zu bringen und Erfolgsstories zu schreiben.
EnVogue: Wie sieht Ihre Vertriebsstrategie aus ? Direktverkauf, Handel ?
AR: Wir vertreiben unsere süssen Spezialitäten über den klassischen Retail, aber auch direkt. Das sind im direkten Kanal vor allem Firmenkunden (für Kundengeschenke) und Privatkunden, welche über Internet, per Telefon aber auch in unseren Gottlieber Sweets & Coffee Stores in Gottlieben, Winterthur, Basel, Aarau, Pfäffikon SZ oder Regensdorf einkaufen.
EnVogue: Wie wichtig ist der Online-Shop ? Die Entwicklung dieses Vertriebskanals dürfte auch Ihnen Freude bereiten, oder ?
AR: Absolut ! Die Umsätze im Online-Kanal schiessen seit dem Lockdown durch die Decke. Unser Online-Shop war schon immer eine wichtige Einnahmequelle für uns und hat in der Pandemie nochmals eine ganz neue Bedeutung gewonnen.
EnVogue: Nebst in Gottlieben betreiben Sie an verschiedenen Orten in der Schweiz die «Gottlieber Sweets & Coffee». Ort der Begegnung, Restaurant oder Teestube ?
AR: Es soll einfach ein Ort zum Wohlfühlen und Geniessen sein ! Das Konzept kann nicht so einfach in eine gängige Kategorie gesteckt werden; es vereint alle genannten Attribute. Die Cafés sind ein Ort für gemütliche Momente und gute Gespräche, wo frisch gebackene Waffeln, Kuchen und je nach Standort Frühstück den ganzen Tag zum besten Cappuccino in Town genossen werden können. Im integrierten Gottlieber Shop kann man sich dann gleich mit allem eindecken, was die Gottlieber Manufaktur hergibt: Hüppen, Tartufi, Tee, Cacaomandeln, Truffes – und nicht zu vergessen, unser köstlicher Brotaufstrich «Morgensünde».
EnVogue: Zum Schluss: Verraten Sie uns Ihre «Lieblingsnascherei» bei Gottlieber ?
AR: Unsere Noix de Coco-Hüppen. Und die «Morgensünde». Oh, auch den Cacaomandeln kann ich nie wiederstehen. Sie sehen mein Dilemma…