LEHNER VERSAND
VOM KLEINEN VERKAUFSLADEN ZUR MODERNEN UNTERNEHMUNG
Die Geschichte von Lehner Versand beginnt 1983 in einer 3-Zimmer-Wohnung in der Zürcher Konradstrasse, einer Querstrasse zur berühmt-berüchtigten Langstrasse. Damals übernimmt Gerold Meier den kleinen Othmar-Lehner-Laden mit nur einer Mitarbeiterin. «In den Anfängen konnte man die Bestellungen nur per Nachname bezahlen, und die Lagerbestände hatte ich alle auswendig im Kopf», erinnert sich Gerold Meier. Heute, mit über 3500 Paketen pro Tag, ist diese Arbeitsweise kaum mehr vorstellbar. Auch das Sortiment war noch nicht so vielfältig. Lehner Versand verkaufte anfangs nur Arbeitskleider und Bettwäsche.
EnVogue: Unlängst meldete die Presse, dass Lehner Versand in der Coronakrise im Gegensatz zu anderen Unternehmen 50 neue Arbeitsplätze in Schenkon schafft. Weshalb? Wegen des anhaltenden Onlinebooms? In der Presse war ebenfalls zu lesen «Versandhaus Lehner ertrinkt in Arbeit».
Thomas Meier (TM): Durch den Lockdown des stationären Handels gab es bei uns eine Flut an Bestellungen. Es gab Monate, in denen wir gegenüber dem Vorjahr mehr als doppelt so viele Bestellungen hatten. Auf der anderen Seite mussten wir alle unsere neun Filialen schliessen und hundert Mitarbeitende auf Kurzarbeit stellen. Exakt zu dieser Zeit nach der ersten Welle hatten wir zudem eine ERP-Umstellung, die mehr als nur schwierig war. Mit Corona geriet auch bei uns alles aus den Fugen – mit bis heute andauernden Schwierigkeiten in Bezug auf Beschaffung und Messen.
EnVogue: Hat das E-Business zu einem «Kulturwandel» in einem Traditionsunternehmen wie Lehner Versand geführt?
TM: Als ich vor 13 Jahren ins Familienunternehmen eingestiegen bin und vor 8 Jahren die Geschäftsleitung übernommen habe, war es immer mein Anspruch, nicht alles gleich zu Beginn auf den Kopf zu stellen. Zuerst mit dem Fluss schwimmen und dann langsam die Richtung vorgeben, wo es nötig ist. Klar, der E-Commerce ist mit einem Bestellanteil von mittlerweile 75% in den letzten Jahren sehr stark gewachsen; und trotzdem haben wir auch weitere Filialen eröffnet und die Katalogauflagen erhöht. Nach dem Motto «Das eine tun und das andere nicht lassen.»
EnVogue: Die Corona-Pandemie hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Realwirtschaft. Wie geht Ihr Unternehmen damit um? Was sind Ihre Erkenntnisse?
TM: Sicherlich gehören wir zu den Gewinnern der Coronakrise. Nicht nur der Onlinehandel war Gewinner der Krise, sondern auch viele Detaillisten mit Food-Angeboten oder auch Einrichtungshäuser. Es wäre ein Traum, würden künftig weniger Schweizer im Ausland einkaufen. Dieser Faktor war auch sehr entscheidend.
EnVogue: Ebenfalls war in der Presse zu lesen, dass ab März 2022 27 Roboter Tag und Nacht Umlagerungen vornehmen und somit 40 Prozent aller Aufträge maschinell zusammengestellt werden. Automatisation statt bewährte Handarbeit?
Michael Hirschi (MH): Wir leben, sobald das neue System in Betrieb genommen wird, in einer dualen Logistikwelt: Zum einen kommissionieren wir automatisiert, zum anderen weiterhin manuell. Wie Sie richtig recherchiert haben, unterstützen uns die Roboter bei der Kleinteile-Kommissionierung. Die Artikel werden zu den Ports gebracht, von unseren Mitarbeitenden kommissioniert und versandfertig verpackt. Die restlichen Aufträge – grosse sperrige Artikel – werden weiterhin manuell abgearbeitet und verpackt. Effizienzsteigerung, hoch verdichtete Lagerung, Mitarbeiterentlastung durch das Prinzip «Ware zu Mann», Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sind die grossen Vorteile des Autostore-Systems, auf das wir zukünftig setzten. Wichtig ist mir zu betonen, dass die bewährte Handarbeit und der Personalbestand weiterhin bestehen bleiben.
DAS SCHWEIZER VERSANDUNTERNEHMEN
Lehner Versand ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Schenkon/LU und feiert im 2023 sein 40-jähriges Jubiläum. Über 300 Mitarbeitende sind bei Lehner Versand beschäftigt. Das Versandhandelsunternehmen hat im Heimtextilsortiment eine riesige Auswahl mit Bettwäsche und Duvets. Weiter werden die Kategorien Schuhe, Mode für Damen und Herren, Artikel für Haus und Hobby sowie Arbeitskleidung angeboten. Dies nicht nur im klassischen Katalog, sondern auch Online und in schweizweit neun Filialen. Ebenfalls gehören die Partnershops www.bettwäsche.ch und www.workgear.ch zu Lehner Versand.
EnVogue: Ist aus Ihrer Sicht im Bereich des Elektronikversands ein Trend erkennbar? Werden nicht immer mehr Produktverpackungen zu Versandverpackungen?
MH: Die Produktverpackung reicht meist nicht aus, um das Produkt auf seinem Transportweg genügend zu schützen. Ich stelle eher fest, dass der Stellenwert der Versandverpackung steigt. Dank dieser Verpackung ist das Produkt transportsicher geschützt, und der Inhalt ist nicht erkennbar. Die Kunden wünschen sich eine gewisse Diskretion. Aus ökologischer Sicht ist es sicherlich nicht optimal, die bereits verpackten Produkte ein weiteres Mal zu verpacken. Da wir grossen Wert auf Nachhaltigkeit legen, schicken wir 20 Prozent der retournierten Pakete ein zweites Mal auf die Reise und teilen dies via Aufkleber unseren Kunden mit. Weiter werden alle Pakete auf die Grösse des Inhaltes zugeschnitten, um das Volumen zu reduzieren.
EnVogue: Gute Versandverpackungen schützen nicht nur die bestellten Waren, sie tragen auch zum Einkaufserlebnis der Kunden bei. Im besten Fall bestätigen sie das Leistungsversprechen und den positiven Eindruck des Webshops. Was macht eine gute Verpackung aus Ihrer Sicht aus? Worauf legen Sie besonderen Wert?
MH: Die wichtigste Aufgabe der Verpackung ist es, das Produkt zu schützen. Die Kunden freuen sich auf die kommenden Pakete, und somit sollten sie sowohl innen als auch aussen ansprechend aussehen. Wir setzen auf ein ansprechendes Aussendesign und auf ökologisches Füllmaterial aus Papier. Das Paket sehe ich als Visitenkarte des Unternehmens. Das auffällige Aussendesign dient gleichzeitig als Werbeeffekt auf dem Weg zu unseren Kunden. Mit einer Imagebeilage im Paket bedanken wir uns nochmals für die getätigte Bestellung bei unseren Kunden.
EnVogue: Der digitale Handel stellt alle Beteiligten laufend vor neue Herausforderungen. Wie können wir als Verpackungslieferanten Sie und Ihre Organisation noch besser unterstützen – nicht «nur» mit einer guten Verpackungslösung, sondern vom «Start bis zum Ziel»? Gibt es aus Ihrer Sicht einen gewissen «Streckenabschnitt» im Verpackungsprozess, der Ihnen besonders wichtig ist?
MH: Effizienz und Handling sind aus meiner Sicht die wichtigsten Abschnitte im Verpackungsprozess. Unsere Pakete sind mit Automatikboden, Reduktionsrillen und Selbstklebeverschluss versehen. Dadurch entfällt das Zuschneiden und das Zukleben des Pakets. Die Mitarbeitenden haben bedeutend weniger Handlingsaufwand, und wir gewinnen an Effizienz im Verpackungsprozess.
EnVogue: Als innovatives Unternehmen setzt Lehner auch auf Kryptowährungen als elektronisches Zahlungsmittel. Ist das sozusagen eine weitere Konsequenz aufgrund der Entwicklung im digitalen Handel? Was können Sie uns über die bisherigen Erfahrungen mit Kryptowährungen sagen?
TM: Obwohl es natürlich nicht die grosse Masse ist, die mit Kryptowährungen (insbesondere mit Bitcoins) bezahlt, werden wir auch Jahre nach der Einführung immer noch darauf angesprochen. Bis heute gab es rund 600 Transaktionen. Glücklicherweise wechseln wir die Bitcoins nicht in Fiat-Währung um, sondern behalten diese auf unserem Krypto-Wallet und freuen oder ärgern uns an der Volatilität dieser Währung. Auch hier ist es uns ein Anliegen, dass der Kunde in seiner x-beliebigen Art bezahlen kann: PayPal, Twint, Cash, Teilzahlung uvm.
EnVogue: Als Verpackungsunternehmen sind wir in der Abfallwirtschaft präsent und bei uns spielt das Thema Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle. Mit verschiedenen Programmen, Aktionen und Zertifikaten versucht auch Lehner die Umwelt möglichst wenig zu belasten. Mit Quickpac zusammen ist Lehner Versand mit einem Elektrolieferauto unterwegs; zudem wurden Plastiksäcke an den Direktverkaufsstellen durch Papiertaschen ersetzt. Inwiefern spielt für Sie im Versand und in der Logistik die ökologische Verantwortung eine Rolle?
MH: Eine sehr grosse. Hier ein Beispiel: Durch das Reduzieren unserer Pakete auf das Inhaltsvolumen benötigen wir fast kein Polstermaterial mehr. Und wenn doch, wird das Paket mit nachhaltigem Papier befüllt. 25% des gesamten Paketvolumens wird mit Elektroautos zugestellt. Der Strom, den wir an unserem Standort in Schenkon beziehen, kommt vollumfänglich aus Wasserkraft. Und unser neues Logistikgebäude hat nicht nur Solarpanels auf dem Dach, sondern auch an der Fassade.