Geschäftsführer der Beck Glatz Confiseur AG und der Berner Mandelbärli AG
MANDELBÄRLI – EIN NACHHALTIGER GENUSS
INTERVIEW MIT THOMAS GLATZ
Bern und Bären gehören zusammen, das ist seit dem 13. Jahrhundert so, als man einen Bären auf das Stadtsiegel setzte und wenig später entsprechende Münzen prägte. Der Legende nach war der Bär das erste Tier, das Stadtgründer Herzog Berthold V. von Zähringen auf dem ausgewählten Gebiet erlegte. Keine Legende sondern eine Tatsache ist, dass in Bern Mandel-bärli kleine Berühmtheiten sind – sie werden ja auch nur dort verkauft (und in ausgewählten Coop-Filialen im Mittelland). Heutzutage sind Mandelbärli manchmal das erste Gebäck, das Hauptstadt-Reisende zu sich nehmen – die Bäckerei Glatz betreibt unter anderem am Hirsch-engraben in Bern unter der Bahnhofswelle eine Filiale. Die Bärli werden seit 1989 gebacken, damals wollte die Firma zum 125-Jahr-Jubiläum etwas Spezielles machen. Deshalb holte man alte Zinnformen hervor, die man zu Beginn des Jahrhunderts angeschafft hatte, um Schokoladenbären zu giessen. Die Konditoren füllten diese mit Kuchenmasse, und das Mandelbärli war geboren.
EnVogue: Herr Glatz, es heisst, dass kein anderes Gebäck in Bern so viel Emotionen hervorzubringen vermag, abgesehen vom Zwiebelkuchen. Stimmt diese Einschätzung? Thomas Glatz: Ob süss oder salzig Gebäcke galten schon im Altertum als Gaben, mit denen die Götter besänftigt wurden. Die Berner Mandelbärli sind sicher auch deshalb so beliebt, weil diese ein ideales Geschenk für alle Generationen sind.
EnVogue: In dieser Ausgabe der enVogue ist das Thema «Nachhaltigkeit» ein Themenschwerpunkt. Wie gehen Sie persönlich mit diesem Thema um? Sie setzen ja gezielt bei Ihren Backwaren auf Naturprodukte, die ohne Zusatzstoffe von Hand hergestellt werden.
T.G: Sinnvoll mit den Ressourcen umzugehen ist für mich eine Herzensangelegenheit. Sämtliche Produkte, die wir verkaufen, sind ohne Konservierungsstoffe oder Frischhaltezutaten. Eine Bäckerei unterscheidet sich dadurch vom Industriebetrieb. Als ich in einer Zeitschrift gelesen habe, dass jeder Schweizer pro Jahr durchschnittlich 13.6 kg Backhilfs-mittel und Zusatzstoffe isst, hat es bei mir «Klick» gemacht.
EnVogue: Seit 2012 ist Glatz das erste CO2 neutrale Unternehmen in der Bäcker-Confiseur- und Gastronomiebranche der Schweiz mit entsprechenden Zertifikat. Wie sehen Sie heute, fast 10 Jahre später, diese Ausrichtung in einer Zeit wo «klimaneutral» in aller Munde ist?
T.G: Die Veränderungen entwickeln sich allgemein zu langsam. Heute liefern, produzieren und verkaufen wir bei Glatz bereits komplett ohne fossile Brennstoffe. Kein Gas, kein Heizöl oder Benzin. Zwei Elektro-Lieferwagen sind täglich zu unseren Filialen unterwegs. Der wirtschaftliche Erfolg steht jedoch nicht im Vorder-grund. Vieles, was wir machen, wird kopiert. Ich wünsche mir, dass es in Zukunft auch in diesem Bereich viele Nachahmer geben wird.
EnVogue: In anderen Beiträgen von Ihnen ist zu lesen, dass die Grundlage von soliden Geschäftsbeziehungen das Vertrauen zwischen den Partnern ist und die gemeinsame Grund-haltung, dass ein Produkt regional verankert und nachhaltig hergestellt sein soll. Können Sie uns diese Denkweise bitte näher erläu-tern?
T.G: «Gut machen» ist das Gegenteil von «gut gemeint». Wer etwas gut machen will, findet nicht immer die richtigen Partner. Umso schöner ist es, wenn die Zusammenarbeit von gegenseitigem Respekt und Engagement geprägt ist. Das erlebe ich vor allem bei lokalen Partnern und dort, wo der Preis nicht ausschlaggebend ist.
FAKTEN
Im Jahr 1864 gegründet, blickt Beck Glatz Confiseur AG auf mehr als 157 Jahre Erfahrung zurück. Und das Berner Unternehmen ist heute äusserst geschätzt und angesehen. Die Erfolgsstory ist ein Beweis dafür, dass die fünf Generationen das Gleichgewicht zwischen bewährten Werten und Innovation gefunden haben.
Mit 4 Filialen und 60 Mitarbeitenden ist Glatz aktuell nicht mehr aus der Berner Gastronomie-Szene wegzudenken. Das qualitative Wachstum und Augenmerk liegen in der kompromisslosen Frische der Produkte und sind Garant dafür, dass das sympathische und nachhaltig denkende Unternehmen weiterhin auf Erfolgskurs bleibt.
www.glatz-bern.ch | www.mandelbaerli.ch
EnVogue: Verschiedene Unternehmen – besonders im Gastrobereich – fürchten um ihre Zukunft. Wie sieht die Situation bei Ihnen aus? Wie stark hat die Corona-Pandemie das Geschäft von Beck Glatz getroffen?
T.G: Die Krise hat uns im Gastronomiebereich stark getroffen. Dank unseren treuen Kunden erholt sich die Lage zusehends. Erfreulich war die Entwicklung bei der Berner Mandelbärli AG, wo wir dank unseres Webshops mandel- baerli.ch einen grossen Umsatzzuwachs verzeichnen durften. Die Zusammenarbeit zwi-schen den beiden Tochterfirmen Glatz und Mandelbärli war ein zusätzliches Highlight und hat uns zusammengeschweisst.
EnVogue: Handwerkliche Backtradition und Innovation – wie geht das zusammen? Müssen Sie dazu «mutig» sein oder sind Sie einfach «neugierig» – aus Tradition?
T.G: Ich muss gestehen, dass ich in meiner Laufbahn oft einfach ausprobiert habe. Getreu dem Motto: «Ich verkaufe, was ich gerne mag», waren sicher auch viele Flops dabei. Das Marketing und die Einführung von neuen Produkten faszinierten mich dabei immer am meisten.
EnVogue: Welche Rolle «spielt» die Verpackung bei Ihnen? Sie machen bei den Zutaten für Ihre Produkte keine Kompromisse und setzen erlesenste Rohstoffe ein. Gilt das auch für Verpackungen? Was ist Ihnen nebst Recycling und einem funktionierenden Abfall-management wichtig?
T.G: Die Haptik. Ich kaufe manchmal nutzlose Dinge, nur weil mir die Verpackung gefällt. Dabei ist für mich das Zusammenspiel von Funktionalität, Form und «Touch» besonders wichtig. Wer einmal in Japan war, versteht wie viel die Verpackung – zum Beispiel bei einem Geschenk – ausmacht. Vielleicht haben mich auch die unzähligen Besuche und «Farbabstimmungen» in den Druckereien schweizweit sensibilisiert.
EnVogue: Wir durften mit Ihnen sehr schöne Verpackunslösungen für die berühmten Mandelbärli realisieren. Wie sehen Sie generell den Auftritt Ihrer Produkte am «POS» in Ihren Filialen? Wie wichtig sind saisonale Aktionen für Ihr Unternehmen?
T.G: Unserem Ziel, ein Shop-in-Shop-Konzept zu realisieren, sind wir durch die Mandelbärli-Verpackungen schon deutlich nähergekom-men. In den Verkaufsstellen von Glatz ist das Mandelbärli ein wichtiges Verkaufsprodukt geworden. Die saisonalen Aktionen werden neu durch Innovationen belebt, statt wie früher mit Produkten, welche schon immer hergestellt wurden. Ich denke da z.B. an das Marroni-Mandelbärli anstelle eines Vermicelles. Es gibt Kunden, die können kaum auf den September warten ;-).
EnVogue: Verpackungsdesign ist ein wichtiger Bestandteil der Marketingkommunikation von Genussprodukten. Es kann sowohl der Produktpolitik als auch der Werbung, dem Vertrieb, dem Qualitätsmanagement oder der Geschäftsführerebene zugewiesen werden. Was ist Ihre Meinung dazu?
T.G: Wenn ich an die Diskussionen betreffend Nutriscore denke, hat Verpackungsdesign schon bald etwas mit «Überleben» zu tun. Wer beim Verpacken der Botschaft schläft, wird nicht lange überleben.
EnVogue: Wie wichtig ist der Onlineshop? Die Entwicklung dieses Vertriebskanals dürfte auch Ihnen in diesen schweren Zeiten Freude bereiten, oder?
T.G: Wie bereits erwähnt, ist die Entwicklung erfreulich. Meine persönliche Herausforde-rung heisst: liebevolle Pakete verschicken, mit Sorgfalt gefüllt und einem persönlichen Touch, statt Roboterpakete mit gratis Rücksende-Etikette. Hier ist in Zukunft die Nachhaltigkeit gefragt. Noch immer machen die Transportkosten vom Verkaufspreis nicht mehr als 8% auf sämtliche Güter der Welt aus solange sich das nicht ändert, können wir auch unsere Klimaprobleme nicht lösen.
EnVogue: Zum Schluss verraten Sie uns Ihren «Lieblingsmandelbärli»? T.G: (lacht). Die Pistazien-Mandel-bärli sind meine Liebsten. Vielleicht entwickeln wir einmal ein Trüffel Mandelbärli ;-).